Als Mutter eines Kindes, dem auf Grund der Diagnose"Down-Syndrom" das Urteil "geistig behindert" anhaftet, werde ich sehr oft überrascht von der Wahrnehmungs- und Abstraktionsfähigkeit meiner Tochter. Ja, tatsächlich! Obwohl ich ja weiß, dass Sie ein ziemlich fixes Mädel ist, und ich die allgemeine Definition von "geistig behindert" sowieso sehr fragwürdig finde, so bringt sie manchmal Sachen, die ganz deutlich zeigen, dass sie ihre ganz eigene und intensive Art hat, wahrzunehmen und intellektuell zu reflektieren - und zwar mit beeindruckendem Ergebnis. Kürzlich hatten wir im Kindergarten zwei Pädagoginnen zu Besuch, um Malins Förderplan zu besprechen. Die Damen haben sich mit Malin beschäftigt und waren auch sehr angetan und zufrieden mit ihr. Sie stellten fest, dass sie vieles altersentsprechend kann und manches eben noch nicht, darunter das "Männchen malen" - bzw. das "
standardisierte Männchen malen" - wie ich es jetzt nenne...
Die Tage nun saß ich neben Malin. Sie hatte ein Blatt vor sich und eine Wachskreide. Als ich zu ihr hinüberschaute malte sie gerade einen Kreis. Ich fragte sie ob sie ein Männchen male, worauf sie zwei Punkte in den Kreis setzte - kaum erkennbar - und sagte "Auge, Auge", noch einen Punkt machte, "Nase" sagte und dann einen Strich malte, den sie als "Mund" bezeichnete.
Fertig war sie aber noch nicht, denn sie setzte noch zwei Querstriche über den Augen hinzu. Daraufhin schaute ich sie wohl fragend an, denn sie erklärte mir - nicht mit Worten, aber mit ihrer Mimik - dass das Männchen traurig, enttäuscht, sorgenvoll oder unwohl ist - eben die Stirn runzelt.
Man muss wohl lange suchen, bis man ein fünfjähriges Kind findet, dass seinen Männchen Falten malt ;-)
Ich war also ziemlich beeindruckt und habe ein weiteres Mal erfahren, dass man dieses Kind nicht mit standardisierten Maßen messen sollte!!!